Biografie

Saturnino Navazo (1914–1986)

Gelesen von Marco Wittorf

Saturnino Navazo war der Kapitän der spanischen Mannschaft im Konzentrationslager Mauthausen. Wie kommt ein Spanier in ein deutsches Konzentrationslager auf österreichischem Boden? Um das zu verstehen, müssen wir nach Spanien ins Jahr 1936 zurückgehen: Im Juli putschten mehrere Generäle gegen die demokratisch gewählte spanische Regierung. Aus dem Putsch entwickelte sich ein jahrelanger Bürgerkrieg zwischen Verteidiger:innen der Republik und Faschist:innen. Nach und nach eroberten faschistische Truppen um General Franco das ganze Land. Am Ende blieb den Republikanern nur noch ein kleiner Korridor im Nordosten, um vor der heranrückenden Armee zu fliehen. Mehrere Millionen Menschen entkamen der Verfolgung der Sieger über die Berge der Pyrenäen nach Frankreich. Doch die französische Regierung empfing die Flüchtlinge aus Spanien nicht mit offenen Armen. Viele Geflüchtete wurden in Internierungslagern untergebracht. Als Nazideutschland im Juni 1940 Frankreich eroberte, wurden mehr als 10 000 Spanier in deutsche Konzentrationslager verschleppt. Einer von ihnen war Saturnino Navazo. Er kam am 17. Januar 1941 in Mauthausen an. Wie seine Landsleute erhielt er den blauen Winkel für Migranten mit einem weißen S für Spanier. Als Antifaschisten wurden sie zu Beginn der Lagerhaft sehr schlecht behandelt. Viele starben bei der harten Arbeit im Steinbruch. Im Laufe der Zeit veränderte sich die Situation für die spanischen Häftlinge. Immer mehr Juden und sowjetische Kriegsgefangene wurden in das KZ in Oberösterreich deportiert. Nun konnte Navazo in der Gefängnisküche arbeiten und an den arbeitsfreien Sonntagen sogar Fußball spielen. Das hatte er bereits vor Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs in der zweiten Spanischen Liga getan. Dank seiner fußballerischen Fähigkeiten stieg er zum Kapitän der spanischen Mannschaft in Mauthausen auf. Im Januar 1945 kamen Häftlinge aus Auschwitz im Lager an. Unter ihnen befand sich ein jüdischer Junge namens Siegfried Meir, dessen Eltern im KZ ermordet wurden. Der Zehnjährige aus Frankfurt am Main setzte sich gegen das Kopfscheren massiv zur Wehr und verursachte so großes Aufsehen. Vermutlich wegen seiner blonden Haare und seines deutschen Vornamens ließen ihn die KZ-Aufseher am Leben. Navazo übertrugen sie die Verantwortung für den kleinen Siegfried. Mit Navazos Unterstützung überlebte er die Lagerhaft. Nach der Befreiung des Lagers durch die Alliierten gab sich Siegfried als Saturninos Sohn aus. Er hieß nun offiziell Luis Navazo. Die beiden lebten zunächst im französischen Revel bei Toulouse, wo Saturnino wieder Fußball spielte. Nach dem Ende der Franco-Diktatur 1975 kehrte er nicht nach Spanien zurück, er starb 1986 in Frankreich. Siegfried Meir zog es in Navazos Geburtsland, wo er bis zu seinem Tod 2020 auf Ibiza lebte.

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