Biografie

Otto Harder (1892–1956)

Gelesen von Marco Wittorf

Vor rund 100 Jahren war Otto Harder einer der ersten Fußballstars in Deutschland. Er spielte 15-mal in der deutschen Nationalmannschaft und gewann in den 1920er-Jahren mit dem Hamburger Sportverein zweimal die Deutscher Meisterschaft. Harder wusste sich gut zu vermarkten: Sogar eine Zigarettenmarke trug seinen Namen. Der Stummfilm „Der König der Mittelstürmer“ stellte Otto Harder in den Mittelpunkt seiner Erzählung. Bis heute ist er nach Uwe Seeler der erfolgreichste Torjäger des HSV. Anders als an Seeler erinnert sich der HSV an Harder mittlerweile weniger gerne. Bereits vor 1933 trat Otto Harder der NSDAP sowie der SS bei. Außerdem war er während des Nationalsozialismus im Konzentrationslager Neuengamme Aufseher und hatte zum Ende des Krieges das Kommando über das Außenlager Hannover-Ahlem inne. Otto Harder war überzeugter Nationalsozialist.

Die Verhältnisse im Lager Hannover-Ahlem wurden von Überlebenden im Vergleich zu anderen nationalsozialistischen Lagern als besonders furchtbar bezeichnet. Vor allem polnische Juden und sowjetische Kriegsgefangene waren in diesem Lager inhaftiert und wurden zu harter körperlicher Arbeit gezwungen. Sie arbeiteten in einem unterirdischen Stollen für die Continental-Gummiwerke und die Maschinenfabrik Niedersachsen. Die Sterberate war hoch, denn im Stollen war es sehr kalt und feucht, die Ernährung war mangelhaft.

Nach 1945 stellten die Alliierten nur sehr wenige Täter vor Gericht. Harder war einer von denen, die sich für ihre Taten verantworten mussten. Er behauptete zunächst, die Häftlinge immer gut behandelt zu haben. Auch wollte er von den Bedingungen im Lager nichts gewusst haben. Ehemalige Wegbegleiter aus dem deutschen Fußball sprangen ihm zur Seite: Allein aufgrund seiner Gutmütigkeit habe Otto Harder seine Beförderung zum Kommandanten des KZ-Außenlagers Hannover-Ahlem nicht ablehnen können. Er habe außerdem in seiner Position als SS-Hauptscharführer vielen Gefangenen geholfen. Der ehemalige DFB-Präsident Peco Bauwens bezeichnete ihn als Sportsmann par excellence. Der jüdische Fußballfunktionär und Holocaust-Überlebende Abraham Stock bezeugte, dass Harder auf seine Entlassung aus dem Konzentrationslager Fuhlsbüttel gedrängt habe. Anders als seine Mitangeklagten wurde der bekannte Ex-Fußballer nicht zum Tode, sondern zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er saß davon nur vier Jahre ab. Die britische Regierung hatte ihn begnadigt. Harder starb 1956 in Freiheit. In der Nachkriegszeit galt er beim HSV als eine Legende, sogar als Vorbild für die Jugend. Inzwischen hat sich die Sicht auf Otto Harder verändert. Seine Verbrechen werden nicht mehr von seinen fußballerischen Erfolgen überstrahlt. Heute setzt sich Harders Heimatverein kritisch mit der eigenen Vergangenheit sowie der Geschichte der Stadt Hamburg im Nationalsozialismus auseinander.

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